Das erste Jahr mit Rika

Bericht über einen vermittelten Nothund
von Markus und Annika Höhn

Die damals etwa 7jährige Akita-Hündin Rika wurde im März 2003 von Familie Höhn aufgenommen und lebt jetzt schon ein Jahr bei ihnen.

Als wir Rika damals aufnahmen, wussten wir so gut wie nichts über ihre früheren Lebensumstände. Es war nur bekannt, das sie bei einer älteren Frau lebte, und als diese verstarb, der Hund abgegeben wurde, da keiner der Erben sich um diesen kümmern wollte.

Seit wir Sie Anfang März 2003 von derexterner Link Nothilfe für Polarhunde e.V.übernahmen, hat sich vieles getan.

Rika
Rika im Tierheim, 2003

Gesundheitliche Probleme bei der Übernahme

Als wir Rika holten, steckte sie mitten in der Akitamauser und kämpfte mit kahlen Ohren und einer Ohrenentzündung, von der wir damals ausgingen, dass sie chronisch sei. Man merkte auch, dass ihr der Aufenthalt im Freien nicht gut tat, da sie ein Leben lang gewohnt war, direkt bei Menschen zu leben. Aus diesem Grund war sie damals auch als dringender Notfall bei der Nothilfe und bei Akita-in-Not ausgeschrieben.

Nachdem wir bei der Übernahme Futter für die Übergangszeit erhalten und alles erfahren hatten, was über Rika bekannt war, machten wir uns auf den Heimweg. In der folgenden Woche besuchten wir unsere Tierklinik vor Ort, um Rika vorzustellen. Hier erhielten wir ein Mittel gegen ihre Entzündung und ein Spray, das die Haut beruhigt und den Juckreiz mildert. Ebenso bekam sie (und bekommt sie immer noch) Biotin und Lachsöl, was bewirkte, dass die Entzündung und die kahlen Stellen verschwanden.

In den ersten Monaten war es sehr vorteilhaft, dass es meiner Freundin möglich war, Rika rund um die Uhr zu betreuen, was ihr das Einleben sehr erleichterte.

Nachdem das Thema mit den Ohren ausgestanden war, rebellierte jedoch ihre Verdauung in Form von Durchfall. Wir wussten nicht genau, ob dies an der Futterumstellung lag. Wir entschieden uns daher, da sie sonst weiter topfit war, den Magen mit Reis und Hüttenkäse zu beruhigen. Als sich ihr Stuhl wieder normalisierte, stellten wir langsam wieder auf normales Futter um.

Heute füttern wir abwechselnd Dosenfutter und Trockenfutter, je nach dem mit Wasser, Vitaminen, Biotin und Lachsöl versetzt. Durch das regelmäßige Wechseln der Dosenfuttersorte hat sie eine sehr gute Verdauung und verträgt auch komplett anderes Futter (wie sie es im Bayerischen Wald bekommt – Lachs und Fleisch mit Kartoffeln) ohne jegliche Beschwerden. Natürlich gibt es zwischendurch auch Leckerchen in Form von trockenfutterähnlichen Kügelchen und Knochen sowie Rinderohren und getrocknetem Sandaal.

Rika
Rika im Tierheim, 2003

Rikas Unsicherheit wandelt sich zu Selbstvertrauen

Zu Rikas Wesen kann man sagen, dass sie in den ersten Monaten sehr unsicher war und uns dementsprechend keinen Meter von der Seite wich. Sowohl Menschen als auch Hunden gegenüber war ihr Verhalten am Anfang sehr reserviert bis scheu. Nach gut ein bis zwei Monaten gewann sie langsam an Selbstsicherheit, am Anfang stetig wie eine Gerade ansteigend und dann stagnierend. Wir dachten zu diesem Zeitpunkt, ca. August / September 2003, dass sie auf diesem Entwicklungsstand bleiben würde. Getäuscht. Jetzt folgte ihre Weiterentwicklung in Sachen Selbstvertrauen/-sicherheit und Ausloten der Rangordnung stufenweise, in der Form, dass sich eine ganze Zeit nichts tat, aber dann auf einmal ein kräftiger Schub an Aufsässigkeit und noch nie gezeigtem Verhalten folgte.

Am Anfang hatte Rika auch die „nette" Angewohnheit, unser Bett warm zu halten. Immer wenn wir unterwegs waren, legte sie sich ins Bett und genoss die privilegierte erhöhte Position. Sobald sie aber die Haustüre hörte, schlich sie sich zurück auf ihren Platz, als sei nichts gewesen. Erst nach gut einer Woche konnten wir sie auf frischer Tat ertappen und sie mit einem kräftigen „Nein" aus dem Bett verscheuchen. Seit diesem Tag hat sie es nicht mehr betreten.

Ebenso wollte sie am Anfang unsere „Nahrung" klauen. Per Zufall erwischte ich sie, wie sie sich gerade ein Stück Kuchen klauen wollte – wieder ein kräftiges „Nein", sie ließ gleich vor Schreck den Kuchen fallen. Nun haben wir einen Akita, der weder im Bett schläft noch unseren Nahrungsmitteln zu nahe kommt, selbst wenn sich diese mal in praktischer Zuschnapphöhe auf dem Tisch befinden.

Im Ganzen gesehen war diese Art, sich zu entwickeln für uns vorteilhaft, da ihr Akitawesen erst Schritt für Schritt zunahm und wir uns dementsprechend sehr gut darauf einstellen konnten. Wurde früher gerade einmal in der Woche getestet, wo man so in der Rangordnung steht, so ist es jetzt fast an jedem Tag. Jedoch akzeptiert sie es sofort, wenn wir ihr ihre Grenzen aufzeigen.  

Rika
Rika mit neuem Herrchen, April 2004

Rika lernt gerne

Zu erwähnen ist auch, dass sie trotz ihres geschätzten Alters von ca. 8 Jahren ungemein gelehrig ist. Ruf- und Sichtzeichen lernt sie innerhalb kürzester Zeit, wobei sie durch ihre Erfahrung und ihre Intelligenz die Zusammenhänge sehr schnell durchschaut. Ein Beispiel:

Am Anfang haben wir Rika „Sitzt" machen lassen, damit sie ihre Schüssel mit Fressen bekam. Mittlerweile kommt man überhaupt nicht mehr dazu, „Sitz" zu sagen, denn unsere Süße sitzt dann schon und wartet auf das OK. Deshalb stellen wir ihr jetzt das Futter vor die Nase und sie muss sitzen bleiben, bis das erlösende OK kommt. Aber auch das stellt für sie kein Problem dar, denn sie weiß, dass sie es so oder so bekommt, ob nun 10 Sekunden früher oder später!

Das Verhalten gegenüber anderen Hunden und Menschen hat sich ebenfalls sehr verändert. Versteckte sie sich am Anfang beim Spazieren gehen hinter uns, sobald Menschen und / oder Hunde entgegen kamen, so läuft sie jetzt voller Selbstvertrauen auf die Neulinge zu, um sich ein Bild von diesen zu machen. Hierbei muss man sagen, dass sie sehr verträglich mit anderen Hunden ist, wobei sie mit gleichgroßen bzw. größeren Hunden besser zurechtkommt als mit kleineren. Nur bei Hunden, die sie dominieren wollen und nicht auf ihre Calming Signals (sie beherrscht diese perfekt) reagieren, stellt sie klar, dass sie die Regeln vorgibt.

Rika
Rika, April 2004

Rikas Vorlieben und Abneigungen

Aber auch unsere Rika hat wie jeder Akita so seine besonderen Eigenheiten: Da wir ein selbst gemachtes Hundebett haben, können wir die Bezüge wechseln und in der Waschmaschine waschen. Jedes Mal, wenn wir ihre Bettdecke wechseln, bleibt es unbenutzt bis wir Sie mit einem Leckerchen darauf locken.

Eine besondere Abneigung hat unsere Rika gegen Wasser. Wenn es beim Spazierengehen regnet, ist ihr das so ziemlich egal, merkt sie es ja dank Unterwolle nicht. Falls es jedoch darum geht, in einem See zu baden, nimmt sie davon gekonnt Abstand, auch wenn alle anderen Rudelmitglieder (wir) sich in diesem befinden. Sie weicht sogar Pfützen aus!

Rika ist ein ziemlich ruhiger Vertreter ihrer Rasse. Jedoch wenn es um das Füttern geht, wird sie putzmunter und freut sich, was sie uns durch „Freudengejaule" mitteilt (es ist so eine Gähnen-Jaulen-Mischung).

Rika
Rika, April 2004

Rikas Verhalten zu Mensch und Hund

Ganz anders verhält sie sich, wenn fremde Leute oder andere Hunde das Grundstück betreten. Wird menschlicher Besuch erst einmal gestellt und auf „Freigabe" von Frauchen oder Herrchen gewartet, werden andere ihr und uns unbekannte Hunde strikt der Grundstücksgrenze verwiesen und dies mit sehr viel Stimm- und Körpereinsatz.

Sie hat es beim Besuch eines fremden Hundes, der wohl den Grillgeruch im Garten aufgeschnappt hat, fertiggebracht, eine massive Holzbank, an der sie nur durch Zufall mal angeleint war und auf der sich 2 ausgewachsene Leute befanden, mit einem Ruck um ein paar Zentimeter zu verschieben. Der fremde Hund hat dann den Grillgeruch sehr schnell vergessen und lief, was das Zeug hält.

Anders geht es der kleinen Leila von nebenan, ein junger Jack Russel Terrier. Wir haben zu unseren Nachbarn keinen Zaun, da es Verwandtschaft ist. Dort ist Leila ab und zu zu Besuch und wird von Rika ohne Probleme akzeptiert, natürlich nachdem sich beide über die Rangordnung einig waren.

Bei Menschen läuft das ähnlich, wer ihr von uns als „Freund" vorgestellt wird, den speichert sie als solchen. Hieraus ist sehr gut zu erkennen, dass im Grunde alles eine Frage der Erziehung ist. Ob ihr dieser Mensch dann auch sympathisch ist, steht auf einem anderen Blatt. Wen sie nicht mag, wird ignoriert, was Leuten aus unserer Verwandtschaft passiert ist. Diese waren es gewöhnt, mit einem Hund rumzualbern, ihn zu Rangeleien zu provozieren. Andere wollten mit aller „Gewalt" knuddeln und waren zu stürmisch. Diese wurden dann mit totaler Ignoranz bestraft. Das Witzige ist aber, dass genau diese Leute jetzt um Rika's Gunst „werben" und sich auf sie eingestellt haben. Rika dankte ihnen das, indem sie einen Schritt auf sie zuging. Das Spiel ist bis heute noch in vollem Gange.

Rika
Rika und Hundefreund im Schnee, März 2004

Auslastung durch ausreichende Bewegung ist notwendig

Ungenügende Bewegung kann ebenfalls zum Problem werden. Ich könnte mir vorstellen, dass dies oft unterschätzt wird. Wir hatten dieses Problem ganze 3 Mal, weil es die Zeit einfach nicht zuließ. Das Resultat war beim 1. Mal eine zerbissene Tür, dann folgte eine Verteilung des Inhalts sämtlicher Tüten, die in der Küche auffindbar waren. Beim 3. und letzten Mal durften wir den Plastikmüll aus allen Räumen einsammeln.

Seitdem wird jeden Tag so viel gelaufen, dass sie ausgelastet ist. Da wir öfters mit ihr unterwegs sind – vor allem Zelten – konnten wir vor einer Woche etwas Interessantes erleben. Als über Nacht die Temperatur auf unter minus fünf Grad sank, waren wir am nächsten Morgen sehr erschrocken, als wir bemerkten, dass Rika auf unsere Berührungen nicht reagierte. Erst langsam kam sie zu sich. Wieder Zuhause informierten wir uns, was das gewesen sein könnte. Was wir nicht wussten war, dass sie ihre Körperfunktionen sehr stark herunterfahren kann, Atmung, Kreislauf, Stoffwechsel, usw. – im Grunde ist sie in Winterschlaf verfallen. Nach diesem tiefen Schlaf war sie dermaßen ausgeruht und aufgedreht. Normalerweise sprintet Rika höchstens mal 15 bis 20 Meter, dann ist sie der Meinung, dass man das Ziel auch im gemütlichen Trab erreichen kann, aber an diesem Morgen waren es über 300 Meter. Sie liebt Kälte sowieso über alles. Welcher Hund freut sich schon über einen Schneesturm im Bayerischen Wald (wir haben wirklich nicht weiter als 3 Meter schauen können) oder legt sich bei minus zehn Grad in den Schnee, um gemütlich zu dösen.

Rika
Rika, April 2004

Geduld ist der Schlüssel

Nach nun mehr als einem Jahr können wir sagen, dass wir den Einzug dieser außergewöhnlichen Hündin keinen einzigen Tag bereut haben. Natürlich gab es mal Höhen und Tiefen. Aber wenn man sich von vornherein darüber im Klaren ist, welche Verantwortung mit dieser Rasse verbunden ist, dann kann es unter normalen Umständen keine böse Überraschung geben.

Was man vor allem aber braucht, ist Geduld. Wir haben gelernt, dass ein Hund, vor allem ein Akita, Zeit braucht, sich zu öffnen. Man muss für ihn da sein, aber ohne ihn zu bedrängen. So kann er sich, unserer Meinung nach, besser in sein neues Umfeld einfinden. Hat der Hund erstmal angefangen sich zu öffnen, so ist er fast wie ausgewechselt. Wir selbst haben dies bei Rika nicht so bemerkt. Bekannte und Verwandte haben uns darauf hingewiesen, dass der Hund sich sehr verändert hat. Er ist zutraulicher geworden, lässt sich von Fremden streicheln und die anfängliche Schreckhaftigkeit ist einer Souveränität und Gelassenheit gewichen. Auch dass sie nach der Eingewöhnung überall mit hin genommen wurde und wird, sei es auf Geburtstagsfeiern oder zum Zelten oder in den Urlaub oder ... hat ihr gut getan. Vor allem kann sie sich dadurch viel besser auf wechselnde Situationen einstellen, ohne dass sie verunsichert oder nervös wird.

Unsere Vorerfahrungen mit Hunden waren sehr nützlich

Rika ist unser zweiter Hund. Mein erster Hund war ein Cocker Spaniel und der meiner Freundin ein Huskymischling. Desweiteren sind wir oft als Doghandler im Bayerischen Wald unterwegs und sammeln dadurch regelmäßig neue Erkenntnisse.

Die Liebe zum Akita, besser gesagt allgemein zu nordischen Hunden, hat sich seit mehr als 7Jahren entwickelt, wobei aber erst seit gut zwei Jahren die Möglichkeit bestand einen Hund artgerecht zu halten. Speziell dem Akita bin ich auf Grund seiner Rassebeschreibung verfallen - speziell sein Charakter und seine selbstständiges Wesen. Über den Akita habe ich mich durch mehrere englisch- und deutschsprachige Bücher informiert.

Für diese Rasse braucht man Zeit, Nervenstärke, Durchsetzungsvermögen und Autorität, aber auch Liebe, Zuneigung und Verständnis. Dies ist eine der faszinierendsten Rassen, bei der man jeden Tag etwas Neues entdecken kann, sich durchsetzen muss oder einfach nur die gemeinsame Zeit genießen kann. Unsere Rika ist nicht unser bester Freund oder unser Eigentum – sie ist ein gleichwertiges Familienmitglied!

Wer Fragen oder Tipps an uns hat kann diese gerne stellen.

Ahorn, im April 2004,
Markus und Annika Höhn

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